Zwischen Cyberkrieg und E-Voting

Studium zum Experten für IT-Sicherheit in Estland

Hacker-Attacken auf Staaten und öffentliche Einrichtungen häufen sich. Der erste Angriff auf die Infrastruktur eines ganzen Landes, der so genannte „erste Cyberkrieg“, fand 2007 in Estland statt. Wie hat das Land auf diese Bedrohung bis heute reagiert?

Die Geldautomaten streiken, Mobilfunknetze geben den Geist auf und Kraftwerke verweigern den Dienst. Das ist Estland im April 2007. Jaak Aaviksoo, promovierter Physiker und zuvor Rektor der Universität Tartu, war gerade ins Amt des estnischen Verteidigungsministers eingeführt worden. Und jetzt wird Estland wegen der Verlegung der Statue eines russischen Soldaten aus dem Stadtzentrum Tallinns angegriffen – im Internet.

Das baltische Land galt als Musterschüler unter den neuen EU-Staaten. Nicht nur durch vergleichsweise solide Staatsfinanzen, sondern insbesondere durch die Fortschrittlichkeit im IT-Sektor machte Estland von sich reden. Skype und andere IT-Unternehmen siedelten sich im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends dort an. Der Begriff von „E-stonia“ entstand.

„Unser Land hat sicher eine führende Rolle darin, bereits existierende Technologie in den Alltag zu integrieren“, sagt Helger Lipmaa, Leiter einer Forschungsgruppe am Institut für Computerwissenschaften und Mathematik der Universität Tartu, der größten Hochschule des Landes. www.ut.ee/en/software-engineering

IT-Technik als nationale Identität
E-Voting – also das Wählen im Internet – ist in Estland verbreitet, kostenfreie Wlan-Netze decken auch entlegene Regionen ab und die Esten setzen mittlerweile fast ausschließlich auf Onlinebanking. „Diese technologischen Errungenschaften prägen heute ein Stück weit unsere nationale Identität“, fügt Lipmaa, der 39-jährige Kryptograph hinzu.

Doch wo bleibt die Sicherheit? Wo die Experten, die diese Systeme betreuen? „Viele IT-Studenten gehen noch vor dem Abschluss des Bachelors in die Wirtschaft“, sagt Lipmaa. „Da findet man leicht auch ohne Universitätsabschluss einen Job. Doch in Zukunft werden wir darauf achten müssen, dass es genügend Studenten und Forscher gibt, die auch die IT-Spitzenforschung weiter voranbringen.“

Neue Wege zur Sicherheit
IT-Studiengänge werden daher gefördert. „Cyber Security“ nennt sich ein neuer Master-Studiengang, den die Hochschule gemeinsam mit der Universität Tallinn anbietet. Das klassische IT-Programm „Software Engineering“wird auf Englisch angeboten und hat viele internationale Teilnehmer.. Schließlich ist die Universität auch einer von fünf europäischen Kooperationspartnern des Erasmus Mundus Master Programms „NordSecMob“, mit den Schwerpunkten „IT-Security and Mobile Computing“.

Das Institut für Computerwissenschaften und Mathematik in Tartu hat seine Größe in den vergangenen fünf Jahren fast verdoppelt. „Unser Schwerpunkt ist die für die IT-Sicherheit so wichtige Kryptographie. In diesem Bereich sind wir sehr stark, auch im Vergleich mit west- und nordeuropäischen Universitäten“, sagt Lipmaa. „Zudem ist Tartu viel internationaler geworden. In Forschung und Lehre habe ich mehr und mehr internationale Kollegen.“

Estland hat sich durch den „ersten Cyberkrieg“ verändert. In der Hauptstadt des Landes eröffnete die NATO 2008 ein Centre of Excellence, das „Cooperative Cyber Defense Centre“. Um sich vor Cyber-Angriffen zu schützen, gibt es im freiwilligen Verteidigungsverbund, „Kaitseliit“, eine Einheit, die sich regelmäßig zu IT-Abwehrübungen trifft. 2010 ging der damalige Verteidigungsminister Aaviksoo noch einen Schritt weiter und dachte in einem Interview über die Einführung einer Cyber-Wehrpflicht für alle estnischen IT-Experten nach.

Die Universität Tartu, estnisch „Tartu Ülikooli“, wurde 1632 unter dem Namen „Academia Gustaviana“ gegründet und ist somit die älteste Hochschule Estlands. An der einzigen Volluniversität des Landes profitieren knapp 19 000 Studenten von einem breiten Fächerkanon. Die Stadt Tartu selbst hat 100 000 Einwohner. Jeder Fünfte davon ist Student. www.ut.ee/en

Deutsche Partneruniversitäten gibt es in Göttingen, Greifswald, Hamburg, Kiel und Konstanz. Der Studentenaustausch zwischen der Universität Tartu und deutschen Hochschulen ist, insbesondere im Rahmen des Erasmus-Programms, rege.

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